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Wir : Kriegsdienstverweigerer ?

Ich habe den Grundwehrdienst verweigert. In Deutschland geht das. 1998 trat ich in Deggendorf (Niederbayern) beim Kreiswehrersatzamt zur Musterung an. So viele so bürokratische Wörter schon in den ersten drei Sätzen. „Grundwehrdienst“ klingt ja noch ganz gut: Bürger leisten einen Dienst an der Wehrhaftigkeit ihres Landes, in einer Parlamentsarmee. Soweit so gut.
Schon das Wort “Kriegsdienstverweigerer” klingt schon ganz anders. Da wird jemand bezeichnet, der seinem Land etwas verweigert, das diesem Land - eigentlich - zusteht. Er verweigert seinen Dienst als Bürger, er entzieht sich einer Pflicht. Dieses gar nicht so implizite Pejorativ ist gleichzeitig in seiner schieren Möglichkeit Teil der Friedensdividende. Seit 1949 steht im Grundgesetz als Grundrecht, was 5 Jahre vorher auf dem gleichen Gebiet noch zum Todesurteil geführt hätte. Seit 1987 ist sie nominell internationales Grundrecht.

ABER -

es gehört zu den hässlichen (und sicher schon oft geäußerten) Einsichten aus Konflikten wie jenem derzeit in der Ukraine, dass es den Angreifer nicht im geringsten interessiert, ob der Angegriffene ethisch oder moralisch bereit zum Krieg ist. Dem Angreifer kann sogar nur daran liegen, dass der Angegriffene möglichst nicht bereit ist, einen Krieg zu führen.

Welchen tragischen Schluss ziehen wir daraus: wir werden wieder hunderte Milliarden investieren müssen und weitere hunderte Millionen Stunden vergeudete Lebenszeit junger Menschen, um eine dauerhaft wirkende Drohgebärde zu etablieren, die jedem Angreifer klar macht: “Mit uns nicht - wir wollen keinen Krieg - aber du solltest uns lieber auch nicht zwingen, uns zu verteidigen.

So kopfschüttelnd traurig uns dieser Gedanke zurücklässt. Er sollte nicht mehr verdrängt werden dürfen. Der Angreifer kennt eben keine Verweigerung. Und wir sind nicht Neo, der mit dem einfachen Heben einer Hand die abgefeuerten Geschosse zum Stillstand bringen kann.