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GPT - bibber! Part 1

Groß die Diskussion derzeit. Groß die Aufregung: GPT könnte das “Ende der Hausaufgaben” an Schulen sein. Das Ende von Prüfungen, wie wir sie kennen. Das Ende vieler kreativer Berufe. Tatsächlich? Wahrscheinlich ja, was das “wie wir sie kennen” betrifft. Und an dieser Stelle kann man dann nur sagen: hoffentlich.

Wenn mit ChatGPT ein neuer Bewerber ins Feld tritt, der einfache Reproduktionen und Kombinationen des Immergleichen in der “Kreativbranche” besser und schneller kann als die Berufslreativen, dann her damit. Wenn ChatGPT Hausaufgaben schneller und besser erledigt als jeder Schüler, dann her damit. Wenn dümmliches Abfragen unter Zwang und Druck damit ein Ende hat: dann her damit.

Nicht die Hausaufgaben an sich werden durch KI verunmöglicht, sondern die Beschaffenheit der Hausaufgaben wird zwangsläufig anders werden müssen. Es ist post GPT nicht mehr so, Hausaufgaben aufzugeben und sich bei ordentlicher Erledigung (abgesichert zum Beispiel durch Fragestellungen, die schwer zu ergooglen sind) darauf verlassen zu können, dass die gewünschte häusliche Übung stattgefunden hat (sofern nicht abgeschrieben wurde, oder anderweitig betrogen - denn das wurde auch vor GPT schon). Vielmehr - o Graus - werden nun die Lehrenden immer mehr dazu gezwungen sein - neiiiin - Ihre Schülerinnen und Schüler von der Sinnhaftigkeit der Aufgabenstellung und vom Wert des Übens zu überzeugen.

Die Vertrauensbasis sowie das “gemeinsame Arbeiten” an der Bildung und den Fähigkeiten der Lernenden wird immer wichtiger, wenn Lernen nicht mehr quasi erzwungen werden kann. Nur wenn die Lernenden einsehen, dass sie bestimmte Übungsroutinen brauchen, um ihre Fähigkeiten zu verbessern, haben Aufgaben zur Erledigung zuhause und allein eine Berechtigung. Ansonsten kann man natürlich einfach weitermachen wie bisher, den Kopf in den Sand stecken und weiterhin einfach bei Erledigung von Aufgaben auch von deren Erfüllung ausgehen. - Das ist dann zwar etwas Selbstbetrug, aber: “Who cares!?”, das ist doch nichts Neues:

Schon zu meiner Schulzeit wurde abgeschrieben, in Klassenarbeiten gespickt und betrogen, was das Zeug hielt. (das ging soweit, dass einige Mitschüler sich - in analogen Zeiten - Miniaturausgaben aller wichtigen Lehrwerke angefertigt hatten) Wir kamen damit durch. Heute, aus Perspektive eines Erwachsenen ist mir klar: Wir kamen damit durch, weil man uns damit durchkommen ließ: Wenn nicht so offen betrogen wurde, dass ein Nichtbemerken unmöglich gewesen wäre, wurde einfach rechtzeitig weggeschaut oder ignoriert.

Und ab und zu “erwischte” es dann einen der Übeltäter, er wurde einmal moralisch gründlich runderneuert (vor der ganzen Klasse, als “Exempel”) und dann war wieder lange Ruhe. Die Nichtertappten konnten sich überlegen und geschickt fühlen und die Lehrerinnen und Lehrer mussten sich nicht den Stress geben, den so ein “Unterschleif” mit sich brachte. Es reichte aus, einmal im Schuljahr, bei besonders “schwierigen” Klassen vielleicht auch etwas häufiger, hinzusehen und drakonisch zu strafen, um die allgemeine Angst vorm Betrügen und die Moralität der Lernenden ausreichend stabil zu halten.

Dass über ein halbes Jahr lang immer in der Früh vor dem Lateinunterricht alle Schüler*innen der Klasse von einem einzigen Schüler abschrieben, wurde in Kauf genommen. Die enorme Leistungssteigerung bei den Lateinhausaufgaben hätte - unter vernünftigen Bedingungen - doch einmal einem Lehrer auffallen müssen. Aber nein. Dann hätte man der Sache ja auf den Grund gehen müssen. Und kontrolliert wurden die Hausaufgaben nur in Stichproben. Da konnte man alles, was einem so auffiel noch auf den Zufall schieben.

Was bedeutet das nun für heute: Die Art, Unterricht zu machen, verliert eine weitere stützende Säule, nämlich die engmaschige Überprüfung und Absicherung von Lernen und Wissenserwerb auf breiter Front. Die Leistung einer Aufgabenerledigung wird von A wie Aufsatz bis Z wie Zitierweise entwertet. Alles, was durchschnittliche Lernenden zu leisten fähig sind, kann ein Computersystem genau so gut, wenn nicht besser. In jedem Fall aber schneller und effizienter.

In dieser Disziplin (Der Sammlung und Aufbereitung von Daten) müssen sich Menschen nich mit Maschinen messen: Weil das nichts bringt, weil dieses Kräftemessen spätestens mit dem Auftreten von ChatGPT entschieden ist. Vielmehr muss die Frage des Wozu noch deutlicher gestellt werden. Schule wird mehr zum Denktrainigsraum und zum intellektuellen und sozialen Selbsterforschungslabor, als zur Stätte bulimischer Einverleibung von kristallinem Wissen, von statischen Daten.

Nicht nur sprichwörtlich, sondern ganz tatsächlich wird es wichtiger, die richtigen Fragen stellen zu können, als eine große Anzahl an Fragen schnell und zuverlässig beanworten zu können. Die Macht der Frage besiegt die Macht des Wissens. Ein wunderschönes Ergebnis menschlichem Forscherdrangs. Noch mehr als bisher wird derjenige über die größte Macht verfügen, der oder die die richtigen Fragen zu stellen weiß. Denn die Antworten kann eine Maschine geben.

Voltaire hat gesagt, man solle die Weisheit eines Menschen weniger nach seinen Antworten beurteilen, als nach seinen Fragen. Einstein hat gesagt: „Wenn ich eine Stunde Zeit hätte, ein Problem zu lösen und mein Leben davon abhinge, würde ich die ersten 55 Minuten nur damit verbringen, die richtige Frage zu finden. - Fortsetzung folgt -